Spätestens wenn man das Buch Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus von Shoshana Zuboff gelesen hat, dürfte sämtliche Zuversicht auf Altruismus seitens der digitalen Giganten wie Facebook, Google, Amazon & Co. sich aufgelöst haben. Wer dieses Buch übrigens noch nicht kennen sollte, dem kann ich es empfehlen — liest sich spannender als mancher Krimi und ist ziemlich gruselig.
Als vor Jahren die Horrorgeschichten, man könne jederzeit und überall via Smartphone abgehört und lokalisiert werden, auftauchten, hab ich kurz nachgedacht und mich gefragt: »Ja und?« Später bekam ich auf meine Arglosigkeit immer wieder entsetzte Reaktionen. Die wissen doch alles über dich! Jedes Mal fragte ich mich wieder mit demselben Ja-Und und gleich danach, ob diese anderen vielleicht recht hätten. Es ist ja keineswegs in Stein gemeißelt, dass ich recht habe, wenn mich das nicht entsetzt.
Heute kann man mittlerweile genauer erkennen, wozu diese persönlichen Informationen auch noch genutzt werden könnten. Man wird vielleicht nicht verreisen können, wenn man nicht geimpft ist, im schlimmsten Fall kann man nach der Bargeldabschaffung am Kauf bestimmter Artikel gehindert werden — selbst wenn die ein Freund für einen kaufen wollte, weil ja die Beziehung auch bekannt ist — oder von allem Möglichen ausgeschlossen werden. Darum soll es aber hier nicht gehen, denn zu diesem Thema hat Zuboff wirklich hervorragend recherchiert. Das alles sind natürlich Ungeheuerlichkeiten. Es stellt sich mir die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
Es ist vielleicht bekannt, wie gesagt spätestens nach der Lektüre von Zuboffs Buch, dass eine der Methoden, immer dreistere Eingriffe in die Privatsphäre vorzunehmen, ist, indem man den Reizpegel immer leicht anhebt. Was einem zuerst aufregt, daran gewöhnt man sich im Lauf der Zeit. Schön zu beobachten bei dem ganzen aktuellen Mummenschanz, der einen letztlich zur Impfung führen soll. Ein probates Mittel dazu ist eine Attacke von etwas, bei dem fast jeder von uns angreifbar ist: die Bequemlichkeit.
Es ist nun einmal angenehmer, wenn man das GPS Fahrtrouten ansagen lässt, als immer wieder auf die Straßenkarte zu schauen. Und es mag auch schön sein, wenn man seinem Saugroboter per Handy-App befehlen kann, jetzt zu saugen oder der Kühlschrank einen darüber informiert, dass die Milch alle ist. Es ist praktisch, überall erreichbar zu sein und zum Telefonieren nicht zu einem Festnetzapparat laufen zu müssen. Das alles sind feine Sachen und ich genieße darüber hinaus zum Beispiel selbst, dass ich für Hörbücher kein eigenes Gerät brauche, sondern sie mir via Smartphone vorlesen lassen kann.
Jetzt, als ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, frage ich mich wieder, was bei dem Ausspionieren so schlimm ist. Okay, die wissen alles von mir. Wozu können sie es derzeit nutzen? Um mir personalisierte Werbung zu schicken, mich also zu manipulieren versuchen. Ganz im Ernst, ich denke angestrengt nach, was sie mir sonst noch antun können. Mich dazu bewegen, dass ich ein zweites Stativ kaufe? Sicher nicht. Und auch sonst kaufe ich nichts, das ich nicht wirklich brauche oder will. Ich bemerke auch nicht, dass bei mir auf einmal unentdeckter Bedarf geweckt würde nach irgendetwas, seien es ›Bücher wie dieses‹ oder ›Magnesiumtabletten wie diese‹.
Ich kann beim besten Willen nichts entdecken, wo ich zu einer Handlung animiert würde, die ich nicht konkret will.
Aber — ist das bei allen Menschen so?
Ich glaube nicht. Dazu zu kommen, hat bei mir viele Jahre gedauert. Auch ich war früher der Verlockung immer wieder erlegen, ganz früher, Klamotten zu kaufen, die von einem Design-Couturier stammten und später Autos, die es mir ermöglichten, mühelos zu überholen, wofür ein wenig mehr PS notwendig sind als das Minimum, das man zur Fortbewegung benötigt. Es hat auch meine Entwicklung zu einer konkreten Ansicht allem gegenüber ihr Zeit gebraucht. Sie wurde ab und zu beeinflusst von allgemeinen Trends und es war spannend zu beobachten, wie sich meine Wahrnehmung immer hörbarer damit meldete, was in meinen persönlichen Fluss passte und was nicht.
Es war ein Prozess, als ob ich mein eigener Bildhauer gewesen wäre, der mich immer klarer und konkreter aus einem weniger definierten Block zu einer konkreten Figur herausbildete, die weiß, was sie will und was nicht und, vor allem, auch weshalb.
Dieser Prozess wurde mir vom Leben erleichtert, indem ich immer in irgendeiner Weise zu kämpfen hatte, sei es emotional oder gesundheitlich. Bei solchen Herausforderungen kann man sich ja immer entscheiden: Will ich die Herausforderung annehmen oder will ich sie beiseiteschieben. Letzteres ist der bequemere Weg, den viele wählen, weil sie für den anderen gerade keine Zeit oder keine Lust oder keine Veranlassung sehen. Ich möchte damit nicht sagen, dass man immer den schwierigeren Weg wählen sollte. Es kann durchaus auch angebracht sein, manchmal etwas einfach zu verdrängen, um sich etwa in einer bestimmten Situation nicht selbst zu überlasten. Nur sollte das nicht zur Gewohnheit werden lassen. Auch hier hilft uns unser Universalwerkzeug: die Wahrnehmung. Man kann lernen, zu spüren, was in einer Situation die Methode der Wahl ist. Außerdem sollte man immer bedenken, dass man ›verdrängt‹ nicht mit ›erledigt‹ verwechselt. Denn das Nichterledigte bleibt immer noch als Aufgabe im Hintergrund bestehen. Wartet dort allzu viel, kann einen das in sehr ungesunden inneren Druck bringen.
Summa summarum glaube ich nicht, dass all die skrupellos gesammelten Daten von uns, die Zuboff als ›Verhaltensüberschuss‹ bezeichnet, dazu in der Lage sind, jemanden, der bewusst lebt — sich also nicht ständig der Bequemlichkeit hingibt — großartig zu beeinflussen.
Ein weiterer gefährlicher Faktor, den die Bequemlichkeit begünstigt, ist das Sicherheitsbedürfnis. Sicherheit zu bieten ist einer der übelsten Manipulatoren. Denn völlige Sicherheit gibt es nicht. Oder anders: Wirkliche Sicherheit gibt es ausschließlich an einem einzigen Ort: in einem selbst.
Es ist unmöglich, seinem persönlichen Lebensplan zu entkommen! Ereignisse, die auf unserem Weg liegen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten. Nicht mit hundertprozentiger, weil wir uns ja ständig ändern können, womit wir auch unsere Route jedes Mal umformen. Doch dieser Änderungsspielraum ist verhältnismäßig klein. Es ist daher sinnlos, sich etwa darauf zu verlassen, auf keinen Fall mit einem Virus infiziert zu werden, wenn man brav zu jeder Zeit Masken trägt — weil das aktuell gerade Thema ist. Das bedeutet aber nicht, dass man keine Erkältung bekommt, weil sie vermeintlich nicht auf seinem Weg läge, wenn man sich direkt vor jeden Hustenden oder Niesenden stellt. Ich meine damit all das, was sich, wie man sagt ›ergibt‹. Es gibt keine Möglichkeit, sich dem zu entziehen. Doch auch hier hilft uns unser Universalwerkzeug ›Wahrnehmung‹ dabei, zu erkennen, was man in der jeweiligen Situation am besten tut, um sich zu behüten. Allerdings sollte man das nicht mit Mustern verwechseln, die aus irgendwelchen Überlebensstrategien entstanden sind — zu Beginn des Wahrnehmungslernens mitunter eine Herausforderung; doch dazu mehr in einem anderen Artikel.
Vielleicht denken Sie nun: Und was ist mit all den erschreckenden Dingen, die die, welche ich als Davos-Clique bezeichne, also Weltwirtschaftsforum und Co., für uns planen? Dass es so weit kommen konnte, liegt überhaupt nur an der Bequemlichkeit der Menschen bisher. Nur dadurch konnten wir so gegängelt werden. Es mag praktisch sein, sich auf den Staat oder einen Arzt oder wen auch immer zu verlassen. Doch je mehr wir das mit uns geschen lassen, umso mehr wird das auch ausgenützt, weil wir damit die Botschaft senden, dass es okay ist, wenn man uns umher schiebt. In der Folge dürfen wir uns dann nicht aufregen, wenn das Leute auch tatsächlich tun — und zwar so, wie sie es wollen.
Ich bin überzeugt davon, dass es keinen Grund zur Angst gibt, solange man versucht, in sich lebendig zu bleiben und Entscheidungen nicht einfach so an andere abgibt. Auch bei jedem Zustimmen, dass jemand etwas tun darf, sei es ein Arzt, Politiker oder jeder andere, sollte man ganz bewusst abwägen, ob das zum persönlichen eigenen Weg auch in dieser Weise passt. Sich hin und her schieben zu lassen mag zwar bequem sein, aber dann darf man sich halt auch nicht wundern, wenn man an Orte geschoben wird, zu denen man eigentlich nicht wollte.
Ich empfehle deshalb, sich bei allen Entscheidungen, bei denen die Bequemlichkeit als Option infrage kommt, zu fragen, ob diese Bequemlichkeit auch in Relation zu dem steht, was sie kostet, sicher für einen hilfreich ist, und den Fluss des eigenen Lebens positiv weiterführt.
Die andere Seite ist — und das hat der erwähnte Autor wahrscheinlich auch beschrieben, dass die gesammelten Daten auch auf andere Weise missbraucht werden können: Wenn bei Stellenbewerbungen, Angelegenheiten mit Banken oder Behörden unsere Spuren im Internet durch Logarithmen bewertet werden, könnte das schon mal zu unliebsamer Einflussnahme auf den eigenen Lebensweg führen.
Allerdings zeigte bisher das Leben ja auch oft genug, wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue. Oft sogar eine, die besser zu einem passt.
Möge das Leben uns immer wieder neue Türen zeigen.
Wenn wir es nur auf die sichtbaren Fakten beziehen, kann natürlich jede Menge Schaden angerichtet werden. Ich glaube aber, dass wir lernen müssen, dass das Sichtbare nur die eben sichtbare Eisbergsspitze ist, wogegen das Erschaffen dieser ›Wirklichkeit‹ im, sozusagen, Untergrund geschieht. Dort spielen viele Faktoren eine Rolle, die wir nicht kennen, die aber mit dem zusammenhängen, was wir uns in der Vergangenheit geschaffen haben. Mit anderen Worten: Es geschieht nichts zufällig, auch nicht dass uns so etwas anscheinend schadet. Ich bin überzeugt davon, dass niemand Schaden erfährt, wenn es für ihn, warum auch immer, eine Notwendigkeit hat. Uns fehlt einfach Vertrauen,… Weiterlesen »